Beziehungen & Trennungen – rhetorisch betrachtet
Wenn man sich die berühmten fünf Phasen einer Beziehung vor Augen hält, dann lassen sich jeweils passende Aussagen zuordnen und wir können Rhetorik-Memory spielen.
“Ich habe noch nie einen Mann, wie ihn getroffen!” verrät, dass Madame noch ziemlich verzaubert ist und kontakttechnisch wohl eher am Anfang steht.
Natürlich hören wir uns in der Honeymoon Phase völlig anders an als in den späteren Jahren, wenn langsam die Ernüchterung einsetzt. Als sich mir eine Bekannte kürzlich schwärmend über ihren jüngsten Fang anvertraute, klang das zu Beginn noch so: „Stell Dir vor, wir haben am ersten Tag total viel geredet und wir beide hören sogar die gleiche Musik.” Aber auch: “Wir haben einfach so viel gemeinsam. Er hat genau die gleichen Ansichten wie ich und will das gleiche vom Leben.”
Ein dreiviertel Jahr später dann, in der Ernüchterungsphase, werden kritischere Stimmen laut. Das Paar realisiert, dass der andere nicht nur Traumprinz oder Bilderbuch-Prinzessin ist: “Ja, der erste Urlaub war grundsätzlich okay, aber ich habe da auch Seiten an ihm erlebt mit denen ich mich erst anfreunden muss.” Oder: “Sie ist eine tolle Frau. Allerdings hat sie bestimmt auch ihre Ecken und Kanten.” Aussagen wie diese sind klare Indizien dafür, dass man die Honeymoon Phase verlassen und das Cocooning ein Ende findet.
Partner werden nun mit ungetrübteren Augen gesehen, die rosarote Brille hat man abgenommen und in ein alltagstaugliches Nasenfahrrad mit Gleitsicht eingetauscht. Dabei fällt natürlich nicht nur Licht auf die geliebte Person, sondern wir entdecken jede Menge Schattenflecken und sehen manche Pore allzu vergrößert.
Einigen Monate später zieht das Paar vielleicht zusammen und es beginnen die Millimeterkriege. Die beiden betreten nun die Macht- bzw. Kompromissphase. Da kann es dann schon mal zu Reibereien über das unterschiedliche Lebensdesign kommen und um die verschiedenen Ziele in der Beziehung. “Dein/Mein”-Spielchen gehen los: “Kannst Du mich bitte fragen, bevor Du einfach meine Sachen nimmst?”
Mittlerweile fallen Dissonanzen im Wertesystem stärker auf: „Ich weiß auch nicht, bei deinen Eltern geht es irgendwie völlig anders zu als bei mir zu Hause. Ich bin das gar nicht so gewohnt. Bei uns wurde immer über alles geredet.”
Der Partner wird nicht nur einzeln beäugt, sondern auch an seinem Umfeld gemessen und das kann ebenfalls zu Problemen führen: “Wann immer Du dich mit deinen Jungs triffst, wird gesoffen und du vergisst anzurufen.“ Oder: “Sag mal, ist dir der Sport wichtiger als unsere Paarzeit?” Oder: “Müssen diese Dinge immer in der Beziehungszeit geplant werden? Du solltest sowas schon mit mir absprechen.“
Wenn man sich über die Jahre als Paar gut zusammengerauft hat und die individuellen Beziehungsregeln ausgestritten sind, dann kann jeder aufatmen und sich endlich wieder der eigenen Persönlichkeitsentwicklung widmen. Da klingen dann bei Liebenden, die schon einige Jahre gemeinsam durchs Leben gehen, deutlich gelassenere Töne an: “Ich glaube, es ist wichtig einander genug Freiraum zu lassen”. Oder: “Das ist ein Wochenende, das ich nur für mich alleine habe und er gönnt mir das auch.” Oder: “Meine Frau ist zum Glück sehr verständnisvoll und man muss ja auch nicht dauernd aufeinander picken”. Aber auch: “Er hat seine Herrnabende und auch ich pflege meinen eigenen Freundeskreis”.
Die fünfte Beziehungsphase gilt der Sicherheit. Man hat sich über die Jahrzehnte zusammen gestritten, Gemeinsamkeiten ausgebaut, persönliche Vorlieben gepflegt, Kinder erzogen und kann sich heute getrost darauf verlassen einen Partner zu haben, dem man blind vertraut. Es gibt längst keine Beziehungsspielchen mehr, sondern jeder darf sein, wie er ist und wird vom anderen genauso akzeptiert. Das knisternde Strohfeuer der ersten Jahre ist zu einem warmen Kaminfeuer geworden. Paare erleben eine wertvolle Vertrauensbeziehung, die Zuneigung ist stärker geworden und die beiden sind aufeinander eingespielt. Das Paar möchte auch weiterhin zusammen durch Dick und Dünn gehen und genießt die tiefe Vertrauensebene, die sie sich geschaffen haben. Und ja, das war Arbeit – aber eine, die sich lohnt.
Wenn es jedoch in dieser Sicherheitsphase zu Verletzungen, Seitensprüngen oder einseitigen Egotrips kommt, dann bedeutet es meistens das Aus für eine Beziehung. Denn klarerweise beginnt ein Paar, nach so einem Ausreißer nicht wieder in der Honeymoon Phase.
Viele reifere Menschen, die bereits seit Jahrzehnten verheiratet sind, sagen, dass sie es lieben und stolz darauf sind, auf diesem Level der Paardynamik angekommen zu sein. Viele finden: “Kommunikation ist das Allerwichtigste – man darf nie aus dem Kontakt gehen, sondern muss miteinander reden!” Oder: „Man muss nicht immer alles hören. Manchmal ist es gut, sich einfach nur seinen Teil zu denken.” Schön, wenn Senioren sagen: “Unser Geheimnis war bestimmt auch, dass wir so viel miteinander erlebt haben. Heute würde ich ihn oder sie nicht mehr hergeben wollen”.
Nicht alle Beziehungen kommen in dieser fünften Phase an und dürfen diese Sicherheit genießen. Viele Paare gehen vorher auseinander.
So wie bei einer Präsentation glaube ich, dass auch Beziehungen davon gezeichnet sind, wie sie begonnen haben. Der mahnende Spruch: “Wehret den Anfängen!” wird fälschlicherweise stets mit dem Hitlerdeutschland der dunklen Zeit verbunden, dabei stammt er vom römischen Dichter Ovid und bringt die Sache klar auf den Punkt. Denn: Die ersten Risse in einer Beziehung sind häufig Vorboten auf das später drohende Unheil. Wir hören manchmal schon zu Beginn die Anzeichen für aufkeimende Beziehungsprobleme, doch wir achten zu wenig darauf. Eine meiner Studentinnen sagte nach der Trennung kürzlich: “Am Anfang fand ich seine Eifersüchteleien süß und fühlte mich geschmeichelt. Aber mit der Zeit hat das Misstrauen unsere Beziehung gefressen.”
Ein andere stimmte ihr zu: “Auch bei mir haben sich letztlich die Trennungsgründe schon in den ersten Wochen abgezeichnet. Seine Mutter machte unsere Beziehung kaputt.”
Genau, wie bei einer guten Präsentation ist auch das Ende entscheidend dafür, wie man die gemeinsame Zeit in Erinnerung behält. Der Schluss bildet den Rahmen für das, woran wir uns später erinnern werden.
Dabei sind Trennungen gesellschaftlich tabu. Sie gehören weder in einen Smalltalk, noch eignen sie sich für ein angenehmes Tischgespräch. Eine Trennung ist der Todesfall einer Beziehung und mit Tod mag sich niemand wirklich befassen. Deshalb müssen viele Menschen ihre persönlichen Katastrophen ganz mit sich alleine ausmachen. Natürlich haben sie mit Freunden und der Familie gesprochen, vielleicht half sogar ein Coach oder Psychologe, aber heilen kann man nur alleine. Ausgerechnet die gutgemeinten Ratschläge helfen nicht. Lieber streicht man Sätze, wie: “Du wirst sehen, bald findest Du eine Bessere!” oder “Die Zeit heilt alle Wunden”, oder: “Auch andere Mütter haben schöne Söhne”.
Es reicht völlig, zu kondolieren: “Das tut mir leid!”