Gesprächsfetzen sprechen Bände

9. Juni 2020 von Tatjana Lackner, MBA

Gesprächsfetzen sprechen Bände 

Wer am Wochenende auf den umliegenden Hausbergen Wiens spazieren geht, der wird im Vorbeigehen unfreiwillig Zeuge von vielen kleinen Gesprächsfetzen. “Und dann habe ich ihr aber kräftig meine Meinung gesagt … Da hat sie dann blöd geschaut und ist abgezogen …. Na, glaubst Du, ich lasse mir alles gefallen? Du kennst mich…”  

Erkenntnis Nummer 1: Streitgespräche werden flott weitererzählt 

Seltener hört man, dass jemand in Abwesenheit gelobt wird. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass von den sieben Basis-Emotionen nur zwei positiv sind: Angst (Furcht), Glück (Freude), Wut, Traurigkeit, Neugier (Überraschung), Ekel und Verachtung. Vernaderungen hingegen machen schneller die Runde. Sie vereinen mit “Wut” und im krasseren Fall “Verachtung” gleich zwei dieser Primäraffekte. 

Erkenntnis Nummer 2: Erst beim Nacherzählen können wir perspektivisch umgestalten 

Auch in den Wiener Schanigärten hat der ruhebedürftige Besucher das unfreiwillige Vergnügen, live oder durch das Handy des Tischnachbarn, vielschichtige Sozialstudien über die Gesprächsführung seiner Mitmenschen anzustellen.  

Gerne schildern Menschen einander vorzugsweise, wie rhetorisch brillant sie unangenehme Situationen aufgelöst haben. Dabei nehmen sie den Mund recht voll und es bleibt zu hoffen, dass die geschilderte Episode nicht ganz so heiß gewesen ist, wie sie erzählt wird. 

Wären nur 10 % der echauffiert vorgetragenen Inhalte wahr, dann müsste man sich um den Bürgerfrieden in unserem Land ernsthafte Sorgen machen. 

Als Kommunikations-Profilerin kann ich beruhigen. In vielen Gesprächen hört man klar heraus, dass Menschen einander nur erzählen, was sie damals gerne gesagt hätten, um sich wenigstens im Nachhinein gut zu fühlen. 

Ob man dem angeblich sturen Schuldirektor, der bissigen Schwiegermutter oder der unleidlichen Arbeitskollegin auf gut wienerisch wirklich so eloquent “eingeschenkt” hat, wage ich zu bezweifeln. 

Viele von uns nehmen selbst täglich an Meetings und Jour-Fixen teil; die genialen Rhetoriker sind selten die Norm. Ganz im Gegenteil! Es ist bedauerlicherweise sogar für uns andere erlebbar, wenn zickende Konfliktpartner Besprechungen unnötig verlängern. Dabei sind sie weder sympathisch, elegant, noch sonderlich wortgewaltig. 

Erkenntnis Nummer 3: Small Talk vom Bigmouth 

Den Lieben zuhause oder den Freunden beim Afterwork-Bier tischen manche den erlebten Zoff des Tages kräftig geschönt und überhöht auf. Die persönliche Rolle im jeweiligen Streitfall wird getuned, wie ein Sportflitzer. Niemand steigt bei den eigenen Erzählungen schlecht aus. Immer sind es die anderen, die “sich wundern werden” oder “denen der Mund offen stehen blieb. 

Belanglose Reibereien werden häufiger Small Talk Themen. Mal um sich größer zu machen und die Identität nach außen zu schärfen und manchmal nur, um auch etwas vom Tag berichten zu können. Für viele Menschen wirkt das “darüber reden” reinigend und gehört in die Kategorie Eigentherapie. 

Fazit: Schade finde ich beim Zuhören immer wieder, wie falsch Menschen – selbst in geschilderten Konflikten oder Verhandlungen reagieren. Die einen rennen ins Messer der Rechtfertigung Jaaber …“, “Nein, weil…” Andere verwechseln Ziele mit Wünschen. Der Unterschied zwischen “das müssen wir erreichen” und “das wäre optimal”, ist gerade in der Wirtschaft groß. 

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