Bereits vor 20 Jahren habe ich mich in meinem zweiten Bestseller “REDE-DIÄT: So halten Sie Ihre Rhetorik schlank” mit dem Gewürzschrank des guten Rhetorikers befasst. Dieser Tage wurde ich durch einen jungen Absolventen unserer Sprechtrainerausbildung in seiner Abschlussarbeit an die Metapher von einst erinnert. Denn: Alles, was wir mit dem Mund machen, soll Freude bereiten: Essen, lachen, küssen und sprechen!
Kein Wunder, dass es hunderte Vergleiche und Redensarten rund um Kulinarik und Gesprächsführung gibt. Rhetorische Finesse aus Sicht eines Kochs ist wie das Erstellen eines köstlichen Gerichts – es erfordert Geschick, Übung, Sorgfalt und die richtige Mischung der Zutaten. Der Gewürzschrank des guten Rhetorikers ähnelt einem Arsenal an sprachlichen Elementen, Redefiguren, Abmischungen von Betonungen und Modulationsnuancen. Geschickt einsetzt würzt er seine Botschaften und verfeinert die Speisen. Wenn das “Salz in der Suppe” fehlt, dann schmeckt die Chose zu lahm.
Zur Grundausstattung jeder Küche gehören Salz, Pfeffer und Wasser. Das Salz steht für die Sprechtechnik und damit die Klarheit in der Sprache, wohingegen der Pfeffer unserem Gesagten Pep verleiht.
Wer gekünstelt spricht oder gestelzt klingt, der versalzt sich die eigene Buchstabensuppe und muss das Ergebnis “selber auslöffeln”. Wer hingegen seine Präsentation lieblos oder monoton runterleiert, dem mangelt es an Würze in der Sprache. Pfeffer bringt Schärfe und Leidenschaft in unsere Worte. Pointierte Aussagen erregen Aufmerksamkeit und beleben auch den Geist der Zuhörenden.
Die Redensart “auch nur mit Wasser zu kochen” macht schon klar, dass wir Wasser zum Erhitzen brauchen. Umgekehrt müssen manchmal Aussagen runtergekühlt werden – in Form von Entschuldigungen oder Einlenkungen. Ruhe in den Aussagen braucht es auch bei vorsichtig geäußerten Vorbehalten, die neutralisierend und sogar erfrischend wirken können. Doch selbst im Business oder in der Politik will sich niemand “verwässerte Aussagen” anhören. Immer geht es um klare Positionen.
Auf der anderen Seite lässt sich mit Wasser, Salz und Mehl bereits ein Brotteig herstellen. Mehl dient unseren Worten als Bindemittel: Zitate, Sprichwörter und Redefiguren sind mit unterschiedlichen Teigmassen vergleichbar. Der Duden beschreibt sie als “feste Verbindung von Wörtern, die zusammen eine bestimmte, meist bildliche Bedeutung haben“. Die sogenannte „Frame-Semantik“ begegnet uns in diesem Zusammenhang überall: Der „Bezugsrahmen“ eines Wortes schafft Stimmungen. Unsere anfangs vielleicht noch “teigigen Meinungen“ zu aufpoppenden gesellschaftsrelevanten Themen werden laufend geknetet und durch eigenes oder mediales Framing in die gewünschte Form gebacken.
Im gut sortierten Gewürzschrank des charismatischen Rhetorikers dürfen Kräuter nicht fehlen.
Würze kommt in Form von scharfen Fragen, spicy facts oder geschmacksintensiven Metaphern in unsere Rede. Sie sind vergleichbar mit Geschmacksnuancen undgeben Worten den gewünschten Spin. Doch auch hier gilt: Kräuter verfeinern unsere Inhalte, sie überlagern sie nicht! Genauso wie beim Kochen, wo Kräuter die Aromen eines Gerichts verstärken, verleihen sie unserer Rhetorik Tiefe und Subtilität. Man muss jedoch nicht überall “seinen Senf dazu geben”. Ein Anfängerfehler bei Meetings ist, wenn Menschen zu detailverliebt reden. Besser: “In der Kürze liegt die Würze!” Sonst hoffen andere, dass man lieber “bleibt, wo der Pfeffer wächst”.
Bei Salespitches, Bewerbungen, im Smalltalk, aber auch bei Akquisitionen brauchen wir vor allem Süße – hier geht es um die Anziehungskraft in der Rhetorik. Doch Vorsicht! Niemand will sich “Honig ums Maul schmieren lassen” von einem “siebenmalsüßen” Redner.
Süße wird in der Rhetorik auch repräsentiert durch die Fähigkeit, unsere Zuhörer oder Leser emotional zu berühren. Wie bei einem Dessert ziehen liebliche Worte und zugewandte Gesten das Publikum an und schaffen eine Verbindung. Es sind Geschichten, Storytelling-Elemente, Anekdoten und positive Emotionen, die unsere Botschaften kandieren.
Säure ähnelt hingegen der Kritikfähigkeit. Sie ist hier vergleichbar mit der Fähigkeit, differenziert zu denken und argumentative Schärfe bzw. investigative Fragen einzusetzen. Wie in der Küche braucht Geschmack stets Balance. Nicht übertreiben! Wer dauernd stichelt vergrämt Menschen; sauer macht nicht immer lustig. Kritische Rhetorik verleiht unseren Argumenten zwar Tiefgang, aber sie hinterlässt manchmal einen bitteren Nachgeschmack. Überlegte Gegenargumente, Kontraste und die Fähigkeit, andere Perspektiven zu berücksichtigen, lassen einen Redner vielschichtig und geistig wendig erscheinen. Manchmal reichen sogar schon einige pikante Aussagen, gespickt mit eindrücklichen Sagern, die intelligente Doppelbödigkeit vermuten lassen.
Umami schmeckt fleischig, vollmundig und herzhaft und beschreibt die fünfte Geschmacksrichtung. Sie intensiviert die Überzeugungskraft in der Rhetorik. Ohne glaubwürdige Quellen, Expertenmeinungen und schlagende Beweise fallen unsere Argumente “vom Fleisch”.
Fazit: In der Welt der Rhetorik ist der Gewürzschrank eines guten Redners sein Werkzeug, um eine leckere Speise mit bunten Worten und frischen Argumenten zu kreieren. Geschickt gewählte Gewürze und Kräuter verleihen Geschmack und Tiefe. Die besten Ingredienzien auswählen und sie in einem ausgewogenen und einladenden Gericht der Kommunikation zu kombinieren, ist eine für alle erlernbare Kunst.