Rhetorik, Requisiten & Redefiguren

8. April 2022 von Tatjana Lackner, MBA

Bildhaft sprechen, bedeutet Redefiguren zu verwenden. Sie sind die Requisiten einer guten Rede und wirken in einem Gespräch Wunder. Jeder Mensch benutzt sie, aber nicht jeder weiß es. Sie helfen uns dabei, Inhalte klarer zu transportieren und Aussagen werden lebendig und anschaulich.

Versuchen Sie in nächster Zeit, den Menschen in Ihrer Umgebung mehr „zu erzählen“ anstelle „Fakten aufzulisten“. Malen Sie mit Ihrer Sprache bunte Bilder in die Köpfe der Menschen und erleben Sie, dass Ihre Botschaften besser behalten werden.

Zuletzt hatten wir in Österreich einen Wahlkampf mit 72 TV-Duellen zu Ende gebracht. Aus der medialen Polit-Soap, die den Sendern Quote brachte, können wir auch sprachlich Lehren ziehen.

1. Alliteration

“Wen würde das Klima wählen” stand einst auf dem Wahlplakat der Grünen. Besonders in der Werbung erleben wir, dass gerne gleiche Anfangsbuchstaben verwendet werden. “Manner mag man eben”, “Mars macht mobil” oder “Veni, Vidi, Visa” sind nur einige Beispiele. Auch der Titel dieses Artikels fällt unter die Alliteration. Manch alliterativer Zungenbrecher hat uns schon als Kinder Freude bereitet. Das war bei “Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid” ebenso, wie bei: “Fischers Fritze fischt frische Fische. Frische Fische fischt Fischers Fritze.”

In der Filmindustrie war es sogar viele Jahre lang modern einen Vornamen mit dem gleichen Anfangsbuchstaben, wie dem Nachnamen zu wählen. Peter Pilz wäre damals “in” gewesen. Viele Künstlernamen, wie Marilyn Monroe, Greta Garbo, Brigitte Bardot belegen das. Auch Walt Disney hatte eine Vorliebe für Donald und Dagobert Duck, Minnie und Micky Mouse, Gundel Gaukeley, Daniel Düsentrieb & Co.

2. Anapher

Sebastian Kurz präsentierte diese Redefigur bei seinen medialen Auftritten oft: “Die Bürger wollen eine Politik, die sich nicht mit sich selbst beschäftigt. Die Bürger wollen, dass wir etwas arbeiten und die Bürger wollen, dass Österreich wieder gut dasteht.”

In der Stilkunde der Rhetorik versteht man darunter die Wiederholung eines ganzen Satzteiles. In religiösen Texten und in Gedichten finden sich viele Anaphern.

3. Chiasmus

“Co2-Ausstoß (A) braucht einen Preis (B), denn wenn wir so weiter machen kostet (B) uns der Co2-Ausstoß (A) die Zukunft.” Beate Meinl-Reisinger verwendete dieses Stilmittel ebenso gerne, wie einst John F. Kennedy: “Ask not what your country can do for you – ask what you can do for your country.” Der Bandname ABBA ist übrigens ebenfalls ein Chiasmus.

Das Wort bedeutet Überkreuzung. Hier werden Worte oder Satzteile sinngemäß oder wortgetreu kreuzweise eingesetzt. Karl Marx bot ein schönes Beispiel an: “Die Waffe (A) der Kritik (B) kann allerdings die Kritik (B) der Waffen (A) nicht ersetzen.” Aber auch Goethe hat in seinem “Faust” viele Chiasmen. So lässt er beispielsweise Mephistopheles sagen: “Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.”

4. Euphemismus

Pamela Rendi-Wagner beispielsweise sagte lieber “bildungsfern” als “doof”. Ihren ehemaligen Wahlkampf als “Aufholjagd” darzustellen war für viele Politologen ein amüsanter Euphemismus – nachdem sie in den Umfragen recht abgeschlagen gehandelt wurde.

Die Schönfärberei ist ein manipulatives Werkzeug, das Dinge hübscher aussehen lässt. “Bastlerhit”, “aufstrebende Wohngegend” oder “Liebhaberobjekt” geben dem Immobiliensuchenden schon klare Hinweise darauf, wo das Problem liegt. Unbewusst verwenden wir alle Euphemismen (= mildere Umschreibungen), um Themen zu verharmlosen. Wir “streiten nicht”, sondern wir sind am “Diskutieren”.

Eine “alternative Verhör-Methode” klingt humaner als “Folter”. “Werbung” nervt. Wogegen “Kundeninformationen” eine Art Servicecharakter suggerieren. “Problemabfall” ist eine schöne Umschreibung für “Giftmüll”. “Wir haben unsere Preispolitik dynamisch gestaltet” klingt besser, als “wir sind teurer geworden”.

Im Wahlkampf ist Norbert Hofer einige Male durch Euphemismen aufgefallen: „Ist das Tempo wirklich so entscheidend? Ist 140 wirklich ein Rasen und 130 ein Gleiten?“ oder auch: „Es ist Tatsache, dass der Mensch Einfluss auf das Klima hat.“ klingt verharmlosender, als von “SUV-Wahnsinnigen” und “Klimasündern” zu reden.

5. Dysphemismus

Peter Pilz war ein Meister des Dysphemismus und der Skandalisierung. In einem News-Interview gab er einst der SPÖ die Schuld an den guten Werten für Sebastian Kurz: “Eine vollkommene Kopflosigkeit der SPÖ. Sie vermasselt jede Chance. Geben Sie einem führenden Sozi, einem Bundesgeschäftsführer, eine Hose und die einzige Garantie, die sie haben, ist: Binnen zehn Minuten ist sie voll.” Pilz schafft es stets, die Alarmglocken durch seine Wortwahl schrillen zu lassen.

Der Dysphemismus will nicht verharmlosen. Ganz im Gegenteil! Bei dieser Redefigur wird kräftig nachgeladen. Ziel ist abwertend über Inhalte oder Menschen zu sprechen und damit bereits durch die Wortwahl eine Negativstimmung zu etablieren und ablehnende Assoziationen zu wecken. “Obdachlose” werden zu “Sandlern”, die Flugbegleiterin wird zur “Saftschubse” und der “Herr Ober” zum “Schankmoped”.

Im Nachhinein ist es beinahe schade, dass Sebastian Kurz einst jedes TV-Duell mit Peter Pilz gemieden hat, denn wir hätten den “Prinzipal des Euphemismus” öfters im Wahlkampf gegen den “Meister des Dysphemismus” erlebt. Heute ist Pilz recht dysphemistisch „vom politischen Parkett verschwunden“.

Fazit: Es gibt hunderte Redefiguren. Die Idee ist, sich eine Handvoll auszusuchen und sie bewusst einzusetzen. Das klappt übrigens auch schriftlich und der Vorteil ist: Sie bestimmen, wann sie auf “senden” drücken.

Themen: RhetorikRedefigurenRequisitenAnapherChaismusAlliterationEuphemismusDysphemismus
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