Scheinargumente & Alibi-Meinungen

1. Februar 2018 von Tatjana Lackner, MBA

Der wahre Grund der Argumente liegt im Verborgenen

Wir leben in einem pluralistischen Zeitalter. Das bringt mit sich, dass an jeder Ecke neue Meinungen, andere Argumente und unterschiedliche Überzeugungen feilgeboten werden. Damit wir von der Flut der Argumente rhetorisch nicht weggespült werden, lohnt es sich in der Überzeugungsrede oder bei Scheinargumenten analytisch vorzugehen:

Hinter jeder Meinungsäußerung steckt (mindestens) „ein wahrer Grund“ – beispielsweise für eine Ablehnung oder Zustimmung. In der Nachbarschaft dieses „feurigen Steins des Anstoßes“ findet sich in Gehweite der „vorgeschobener Grund“. Warum? Menschen verstecken sich gerne hinter Alibi-Meinungen oder lenken mit Scheinargumenten vom eigentlichen Problem ab.
Überlagert werden diese beiden Gründe (der wahre und der vorgeschobene), dann vielleicht auch noch von einer „Projektion“. Das bedeutet, dass wir dem anderen unser Problem unterstellen. Jemand der zum Beispiel gerade eine Fastenkur macht, fordert nun auch alle anderen in seiner Umgebung auf, mal über ihre Essgewohnheiten nachzudenken.
Häufig haben diese verlagerten Argumentationen und Projektionen einen recht weichen Boden. Wer die Dellen und Schwachstellen erkennt, der kann recht flott zum eigentlichen Kern des Problems vordringen.

Beispiel:

Irene möchte ihren Freund nicht nach Australien begleiten. Das Paar hat keine Gemeinschaftskasse. Jeder kommt stets für seine Kosten selbst auf.

Der vorgeschobene Grund ist:

Irene gibt vor: „Der Flug dauert viel zu lange und mir ist das auch zu stressig für meinen nächsten Urlaub.“
Wahrer Grund:

Der wahre Grund ist:

Irene ist gerade schwach bei Kasse und kann sich weder Flug noch Destination – geschweige denn fakultative Ausflüge vor Ort in dieser Größe – leisten.

Projektion:

Stattdessen projiziert sie ihr Geldproblem auf ihren Freund: „Klaus, findest du nicht wir sollten endlich mal sparen und lieber nach Griechenland fahren, wo wir uns wirklich entspannen können. Gerade du hast in den letzten Wochen so viel gearbeitet, dass dir ein erholsamer Urlaub mit nur 2 Stunden Flugzeit bestimmt besser täte.“

Weicher Argumentationsboden:

Die Argumentationslogik von Irene ist schwach. Wenn sie endlich sparen will, dann muss sie sich im Vergleich zum Vorjahr einschränken. Das Paar war allerdings auch im vergangenen Sommer in Griechenland auf Urlaub.

„Was wäre, wenn-Taktik“

Die „Was wäre, wenn-Taktik“ legt häufig den wahren Grund frei: Würde Klaus seiner Irene den Australien-Aufenthalt samt Flug bezahlen, dann wäre die Dauer des Fluges für Irene bestimmt nicht mehr Grund genug um zu Hause zu bleiben.

Fazit: Es ist nützlich den „wahren Grund“ einer Beweisführung zu entlarven. Das ist bei Gericht sogar essentiell. Aber auch in der Kindererziehung, der Partnerschaft oder im Job bereichert Gesprächsanalyse stets die Kommunikation. Selten erzählen uns die Menschen ihre wahren Beweggründe, manche kennen sie oftmals selbst noch gar nicht. Gute Rhetoriker zeichnen sich aus, dass sie unter die glitzernde Oberfläche blicken. Die spiegelnde Wasseroberfläche unserer Meere verrät eben nur wenig über das Leben in der Tiefe. Manchmal lohnt sich deshalb der Tauchgang.

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