Verändern Helden unsere Sprache?

17. Juli 2024 von Tatjana Lackner, MBA

In meinem letzten LinkedIn Audio Talk ging es heiß her. Die Frage war: Brauchen wir Helden? Wie beeinflussen sie unsere Sprache? 
Schließlich habe ich selbst von Odysseus und seinen Irrfahrten in der Schule gelernt. Das Heldenepos der Nibelungen mussten wir teilweise sogar auf althochdeutsch lesen und ich habe einige Hausübungen mit Siegfried, Hagen und Krimhild verbracht. Vielleicht hilft es, sich einen Überblick über die einzelnen Heldenarten zu verschaffen, um klarzumachen, dass die Sprache der Vorbilder auch ihre Anhänger erreicht und Meinungen beeinflusst. 

Stars aus Sport & Musik 

Gerade bei großen Sportereignissen wachsen – vor allem für jungen Fans – die Vorbilder bis in den Olymp. „Ich würde alles dafür geben, um einmal mit Star XY sprechen zu können!“ Gerne lässt sich der eine oder andere mit seinem Lieblingsfußballer oder der adorierten Skilegende ablichten. Das ist bei musikalischen Idolen nicht anders. Davon leben Konzepte wie „Meet & Greet“ oder Backstage-Pässe auf der ganzen Welt. Bei diesen arrangierten Treffen mit berühmten Personen bietet sich dem Fan auch kurz die Gelegenheit, einige Worte zu wechseln oder seinem Star die eine oder andere Frage zu stellen. Smalltalk wird dann großgeschrieben. Einige Fans sind so baff, dass sie im entscheidenden Augenblick keinen Ton mehr herausbekommen. Da hätte es geholfen, sich vorher einige Fragen vorbereitet zu haben. 

Politische Influencer auf dem Vormarsch 

Klar ist aber auch, dass Fans in den sozialen Medien den Alltag ihrer Stars miterleben und jede Äußerung zu politischen oder gesellschaftlichen Themen kennen. Das ist bei gekauften Influencern von Parteien nicht anders.1 Sie machen mit dieser Wirkung sogar Geld. Unter den parteinahen Influencern sind viele junge Frauen auf dem Vormarsch. Ihre Sprache und Gesinnung wird von mehreren hunderttausend Followern übernommen. Was als harmlose Erklär-Vlogs beginnt, sind in Wahrheit parteipolitische Aufträge.  

Fans & Identitätsbildung 

Besonders in der Pubertät dient der ausgeprägte Starkult der eigenen Identitätsfindung. Manchmal hat die Idolatrie rund um einen Star mehr mit dem Fan zu tun als mit der Projektionsfläche seiner Adoration. Wahrscheinlich ist es deshalb auch so wichtig, dass sich Stars vorbildlich verhalten, denn sie beeinflussen ihre Anhängerschaft mit ihrem Tun. Bei Paolo Coelho lernen wir: „Die Welt verändert sich durch Dein Vorbild, nicht durch Deine Meinung.“  

Das ist auch bei politischen Bewegungen so. „Fridays for Future“ ging ursprünglich auf Greta Thunbergs „Schulstreik fürs Klima“ zurück. Ihr Vorbild hat Schule gemacht und Kinder auf der ganzen Welt eben diese schwänzen lassen. Thunbergs Erkenntnis: „Ich habe gelernt, dass man nie zu klein dafür ist, einen Unterschied zu machen.“ 

Mythen und Legenden prägen 

Heldenfiguren sind in einigen Gegenden tief in die kulturelle Identität eines Landes verwoben. Mythen tragen beispielsweise zur Bildung einer kollektiven Identifizierung bei. Viele Legenden sind mit dem Landstrich, aus dem sie kommen, eng verbunden und werden von Generation zu Generation weitererzählt. Egal, ob man in den Norden oder in den Süden Europas blickt, die nordische Mythologie rund um Thor boomt ebenso, wie die griechischen Götter im Umkreis von Herkules. Dabei fällt auf, dass viele Helden in der Geschichte Männer waren, was wohl auch damit zu tun hat, dass sie maßgeblich die Geschichtsbücher geschrieben haben. Wer sprichwörtlich „Geschichte schreibt“, bestimmt oft der Chronist. Hier prägt der „Tone of Voice“ gleich Generationen. 

Antihelden verbinden 

Der Antiheld ist ein Under-Dog mit kritischer Haltung der Gesellschaft gegenüber, jedoch ist er nicht mit dem Bösewicht zu verwechseln. „Jack Sparrow“ in „Fluch der Karibik“ ist ein solches Beispiel: Sein Verhalten weist immer wieder moralische Mängel auf, doch durch ihn im Mittelpunkt wird die Geschichte perspektivisch und spannend. Das Publikum fiebert mit und hält zu ihm. Uma Thurman spielt in „Kill Bill“ eine Antiheldin, die Menschen umbringt. 

Frank William Abagnale aus „Catch me if you can“, gespielt von Leonardo di Caprio, hat geschafft, dass wir lieber zu ihm halten als zum Polizisten Carl Hanratty (Tom Hanks). Der Hochstapler und mehrfache Scheckbetrüger eroberte offenbar auch im wirklichen Leben die Herzen, weshalb seine Geschichte überhaupt erst verfilmt wurde. 

Historische Helden helfen 

Eine völlig andere Liga sind die historischen Helden, wie Mahatma Ghandi, Jeanne d’Arc oder Rosa Parks. Es handelt sich hierbei um Personen, die tatsächlich gelebt haben und deren Taten in die Annalen eingingen. Einige von ihnen haben den Lauf der Geschichte sogar verändert. Ghandi hat sein gewaltfreies Engagement in Worte gegossen: „Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt!“ 

Literarische Helden bilden 

Ganz anders ist es mit literarischen Charakteren, die Kultstatus erreicht haben: „Der junge Werther“ (Johann Wolfgang von Goethe) wurde nach der Veröffentlichung des Romans 1774 mit etlichen Suiziden in Verbindung gebracht – so sehr hat er die Menschen bewegt. Viele wissen, wer mit Hercule Poirot gemeint ist, dem Meisterdetektiv aus der Feder von Agatha Christie. Viele Vampire folgten ihm, aber „Graf Dracula“ ist wohl der bekannteste unter ihnen, der Weltruhm erlangt hat. 

Franz Kafkas Werk hat die Literatur beeinflusst. Sein Name findet sich in einem Adjektiv wieder. Wenn etwas in unergründlicher Weise bedrohlich ist, dann sprechen wir von „kafkaesk“.  

Glück, Liebe, Klänge und Gerüche können wir mit Sprache gar nicht ausreichend erfassen. Damit hat der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein wieder mal recht: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ Uns bleibt also nur ein sehr schmaler Korridor um „unsere Welt“ überhaupt in Worte zu gießen und sobald wir eine Fremdsprache sprechen, verschiebt sich dieser schmale Grat erneut. 

Fazit: Wer Kinder hat, sollte sowohl Sprache als auch Geisteshaltung der Medienhelden des Fortpflanzens immer wieder einer kritischen Prüfung unterziehen.  

1 Vgl. https://www.basecamp.digital/social-media-diese-politik-influencer-sollte-man-kennen/ Stand: 7.7.2024 

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